Pflegekinder und Pflegefamilie

Manche Eltern sind leider nicht in der Lage, ihrem Kind ein stabiles zu Hause zu bieten. Daher sieht das Jugendwohlfahrtsgesetz vor, dass betroffene Kinder Anspruch auf einen Platz in einem Betreuungsheim oder bei einer Pflegefamilie haben. Dort werden sie vorübergehend aufgenommen, dort tanken sie ein wenig Ruhe und Kraft. Für Paare, die selbst keine Kinder bekommen können, besteht die Möglichkeit, Pflegeeltern zu werden.

Pflegefamilie als alternativer Lebensentwurf

Eines gilt es jedoch zu bedenken: die Übernahme einer Pflegschaft ersetzt nie den eigenen, unerfüllten Kinderwunsch. Es handelt sich dabei vielmehr um einen alternativen Lebensentwurf, einen Plan B. Pflegekinder befinden sich im Normalfall nur für eine bestimmte Zeit in der Pflegefamilie. Oft ist es ein überraschendes Kommen und Gehen. Pflegekinder sind auch keine Adoptivkinder. Sie sind Mitglied ihrer Ursprungsfamilie und seitens der Kinder- und Jugendhilfe besteht immer das Ziel, die Kinder irgendwann wieder in die Obhut ihrer leiblichen Eltern zu übergeben.

Mit der Aufnahme eines Pflegekindes begründet sich eine Elternschaft auf Zeit. Diese kann wunderschön und erfüllend aber gleichzeitig auch anstrengend und herausfordernd sein. Wer sich tatsächlich für die Übernahme einer Pflegschaft interessiert, sollte daher mit den eigenen Familienplänen im Reinen und ganz sicher sein, dass er den emotionalen Ansprüchen der Gesamtsituation gewachsen ist.

Pflegekinder

Pflegekinder sind Kinder, die unter schwierigen familiären Verhältnissen aufwachsen. Sie sind nicht selten Opfer von Vernachlässigung, sexueller, geistiger oder körperlicher Gewalt. Wird das Leben in der Herkunftsfamilie für das Kind zu belastend oder ist das Kindswohl in Gefahr, entscheidet sich der Kinder- und Jugendhilfeträgers dafür, das Kind für bestimmte oder unbestimmte Zeit von der eigenen Familie zu trennen. Dieser Schritt wird jedoch nicht leichtfertig gesetzt. Erst wenn alle Unterstützungsmaßnahmen und Interventionsversuche scheitern, wird die Loslösung des Kindes aus dem Familienverband in die Wege geleitet.

Nun gilt es, eine Pflegefamilie zu finden, die das Kind liebevoll aufnimmt und ihm bedingungslos ein sicheres Heim bietet. Alleine in der Bundeshauptstadt Wien sind 1.450 Kinder bei Pflegefamilien untergebracht. SozialarbeiterInnen zu Folge benötigen betroffene Kinder, Auffanglösungen, mit denen eine Versorgung der kindlichen Grundbedürfnisse rasch wiederhergestellt werden kann. Außerdem fordern Pflegekinder ein besonderes Maß an Zuneigung und Aufmerksamkeit, da sie in ihren Herkunftsfamilien oft vernachlässigt wurden.

Wichtig: es geht im Rahmen einer Pflegschaft nicht darum, dem Kind seitens der Eltern psychologische Betreuung zukommen zu lassen. Pflegefamilien sollten betroffene Kinder vorerst einfach aufnehmen und ihnen ein verlässliches und tolerantes Umfeld bieten. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Kinder- und Jugendhilfeträgers stehen Pflegeeltern in professioneller Hinsicht mit Rat und Tat zur Seite. Sie leisten unbürokratisch Hilfestellung in Krisensituationen und unterstützen die Pflegeeltern bei ihren Aufgaben.

Pflegschafts-Formen

Je nach Situation in der Herkunftsfamilie und den Bedürfnissen des betroffenen Kindes, unterscheidet man folgende Formen der Pflegschaft:

Krisenpflege

Kommt es in der Herkunftsfamilie zu einer akuten Krisensituation ist der Kinder- und Jugendhilfeträgers bemüht, so rasch wie möglich eine Pflegefamilie zu finden. Betroffene Kinder sind im Regelfall zwischen 0 und 3 Jahre alt und sie benötigen für 6-8 Wochen sowohl ein Heim als auch emotionale Stabilität. Bei etwa der Hälfte aller Krisen-Pflegekinder glückt eine Rückführung in die Herkunftsfamilie. Für alle anderen wird nach einer langfristigen Lösung z.B. in Form einer Dauerpflege gesucht.

Dauerpflege

Häufig sind Kinder auf einen dauerhaften Platz in einer Pflegefamilie angewiesen. Sie kommen in einem sehr jungen Alter zu ihrer Pflegefamilie und bleiben dort oft bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres. Anders als bei einer Adoption besteht jedoch kein „rechtlicher Anspruch“ auf das Kind. Es gehört nach wie vor als vollwertiges Mitglied zu seiner Herkunftsfamilie, der Kontakt zu den leiblichen Eltern oder Geschwistern wird im Einvernehmen aller Beteiligten gefördert. Pflegeeltern müssen sich darauf einstellen, dass das Kind irgendwann wieder zu seiner Familie zurückkehren kann. Das ist dann der Fall, wenn sich die familiäre Situation in der Herkunftsfamilie stabilisiert hat und der Kinder- und Jugendhilfeträgers der Meinung ist, dass die leiblichen Eltern in der Lage sind, die Verantwortung für das eigene Kind wiederaufzunehmen.

Voraussetzungen

Pflegemamas und Pflegepapas benötigen eine so genannte Pflegebewilligung. Diese wird vom zuständigen Kinder- und Jugendhilfeträgers nach eingehender Eignungsprüfung ausgestellt. Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens, welches circa 6 Monate in Anspruch nimmt, werden potentielle Eltern hinsichtlich sozialer, wirtschaftlicher und gesundheitlicher Faktoren untersucht. Hinzu zur allgemeinen Eignung kommen persönliche und fachliche Kriterien, die ebenso gegeben sein müssen. Ein besonderes Augenmerk gilt in diesem Zusammenhang den persönlichen Voraussetzungen. Nicht jeder/jede ist für das Dasein als Pflegemama/Pflegepapa geschaffen. Man muss selbst mit beiden Beinen fest im Leben stehen und emotional fordernden Situationen gewachsen sein. Außerdem müssen Pflegeeltern vor allem eines können: loslassen. Denn früher oder später kommt der Zeitpunkt der Rückführung des Kindes in die Herkunftsfamilie.

Persönliche Eignung

Die MA 11 Wien (Amt für Jugend und Familie) hat eine Checkliste zusammengestellt, die Eltern bei der Klärung von persönlichen Voraussetzungen helfen soll. Enthalten sind unter anderem Fragen zur Belastbarkeit in Krisensituationen, zur Lebensweise und dem persönlichen Lebensstil, zur Bereitschaft, ein Kind für unbestimmte Zeit aufzunehmen und zur Erfahrung in den Bereichen Kindererziehung/Kinderbetreuung.

Fachliche Eignung 

Kinder- und Jugendhilfeträger oder private Vereine bieten meist Schulungen und Seminare für Pflegeeltern an. In aufeinanderfolgenden Kurseinheiten werden sowohl persönliche als auch pädagogische Aspekte thematisiert. Wünsche, Bedürfnisse, Ängste und Sorgen der Pflegeeltern kommen genauso zur Sprache wie die Eingewöhnungsphase und die speziellen Bedürfnisse von Pflegekindern. Die Seminare dienen als Vorbereitung auf die neue Aufgabe – das Angebot variiert nach Bundesland.

Finanzielles und Rechtliches

Eine Pflegeelternschaft unterscheidet sich rechtlich gesehen grundsätzlich von einer Adoption. Während das Kind bei einer Adoption ein gesetzlich anerkanntes Mitglied der (neuen) Familie wird, übernimmt eine Pflegefamilie die Betreuungsaufgaben und die Erziehung des Pflegekindes nur vorübergehend. Für unbestimmte oder bestimmte Zeit ersetzen Pflegeeltern also die leiblichen Eltern. In diesem Zeitraum haben sie Anspruch auf Familienbeihilfe, Kinderbetreuungsgeld, Pflegefreistellung und Mitversicherung des Pflegekindes in der Sozialversicherung. Zusätzlich besteht in manchen Bundesländern (z.B. Wien, Oberösterreich) die Möglichkeit, sich als Pflegemama oder Pflegepapa bei einem Trägerverein anstellen zu lassen. In anderen Bundesländern gibt es anstelle der Pflegeanstellung das Pflegeelterngeld, welches zur Abdeckung zusätzlicher Kosten herangezogen werden soll.

Anlaufstellen

Wer Interesse an der Übernahme einer Pflegeelternrolle hat, der wendet sich an den Kinder- und Jugendhilfeträger in der zuständigen Bezirkshauptmannschaft oder im Magistrat. In Wien ist das Amt für Jugend und Familie (MA 11) für Fragen rund um Pflegelternschaft zuständig.

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Kommentare

Kommentar von NiNa |

Der Begriff Jugendwohlfahrt wird nicht mehr verwendet, heute heisst es Kinder- und Jugendhilfe, nur zur Info :)

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